Sonntag, 14. November 2010

Schäuble & Offer



"Herr Offer, reden Sie nicht, sondern sorgen Sie dafür, dass die Zahlen JETZT verteilt werden."

- Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble bei der Pressekonferenz des Bundesministeriums der Finanzen


Eigentlich gibt Noch-Finanzminister Wolfgang Schäuble ja gerne den netten Onkel aus dem Schwarzwald. Ein sympamthischer Typ, der auch mal gerne ein Spiel seines Lieblingsvereins SC Freiburg live kommentiert und mit den Nachbarn eine Runde am Gartenzaun sitzt. Jetzt wissen wir aber, dass der ehemalige Fast-Nachfolger des ehemalig ewigen Kanzlers nicht nur von Kanzlerkandidatinen aus dem Kanzlerrennen gemobbt werden kann, sondern wir wissen auch, dass dieser Wolfgang Schäuble selbst ein gewiefter Mobber ist. Da hat er "den Offer" mal eben der versammelten Journalisten-Meute zum Fraß vorgeworfen, ihn ausgespuckt und noch mal reingetreten, bevor er sich dann mit einer äußerst dürftigen Entschuldigung für das Bundesverdienstkreuz für Uneinsichtigkeit bewirbt. Verwundert hat aber nicht Schäubles Grinsen, Offers Mittlescheitel oder das halbvolle Wasserglas vor dem Finanzminister - verwundert hat die Reaktion des Gedemütigten. Pressesprecher Michael Offer blieb ruhig, hörte auf zu reden und verteilte die Zahlen. Das war´s.



"Bei aller berechtigten Verärgerung habe ich vielleicht überreagiert."

- Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble in der "Bild am Sonntag"

Dienstag, 9. November 2010

Bild dir deine schlichte Welt

Die Bild-Zeitung überrascht bei der Berichterstattung über den Castor-Transport mit ihrem vorhersehbar primitiven Blick auf die Wirklichkeit. Der lässige Slogan "Nichts ist härter als die Wahrheit" wird so zum erbärmlichen "Nichts ist schlimmer als gnadenlose Dummheit".


Bild-Zeitung vom 08.11.2010


Da kommen sie wieder - die Scheuklappen-Schreiber von Deutschlands Unterschichts-Zeitung N°1. Wahrheit, Objektivität und Neutralität sind ja journalistische Tugenden, gehören aber nicht bei jeder Zeitung zu den Prioritäten, bei besonders schlecht gemachten Blättern anscheinend nicht mal zu den enfernten Zielen. Um so besser, wenn man dann in großen Buchstaben seine kleinen Gedanken formulieren darf, das ganze mit einem realitätsfernen Bild verbindet und den eigenen Vorurteilen freien Lauf lassen kann - ganz ohne lästige Objektivitäts-Versuche und nerviger Auseinandersetzung mit Anstand und Moral. Das Ergebnis sieht dann aus wie die Bild-Schlagzeile vom 08.November 2010.

Friedliche Demonstranten werden zu gewaltbereiten Rowdies geschrieben, fragwürdige Informationen ohne Anspruch auf Richtigkeit ("Ein Vermummter wirft eine vermutlich mit Brandbeschleuniger gefüllte Flasche...") werden zu Meinungsmachern. Das ist erbärmlich, das ist schlecht, das ist 100% Bild.

Sonntag, 7. November 2010

Auswärtiges Amt - Die Aufklärung

In der Historikerstudie zur Rolle des Auswärtigen Amtes während der Nazi-Dikatur kann seit letzter Woche jeder nachlesen, dass die großen Diplomaten auch nur kleine Nazis waren. Diese Erkenntniss finden einige schockierend - aber wer hat wirklich etwas anderes erwartet?

"Es sind einige schockierende Erkenntnisse dabei."
- Guido Westerwelle, Bundesminister des Auswärtigen

So richtig verwundert hat die "Enthüllung" ja wohl ernsthaft niemanden. Die viel zitierte Historikerstudie zur Rolle des Auswärtigen Amtes während des Dritten Reiches, hat eigentlich nur schwarz auf weiß offen gelegt, was vorher schon offensichtlich war und verwundern tut eigentlich nur die Verwunderung. Nachdem dann viele betroffene Gesichter in die Kameras blickten, hatte natürlich der momentane Außenminister und Chef-Diplomat Guido Westerwelle das erste Wort. Dieser kam, sprach und sage den schönen Satz:

"Es beschämt uns, wie das Auswärtige Amt und viele seiner Angehörigen während der Nazi-Herrschaft schwere Schuld auf sich geladen haben."

Gut, warum er das relativ neutrale "uns" einem persönlicheren "ich" vorzieht, warum er von schwerer Schuld und nicht von Mord und Terror spricht, das soll an dieser Stelle nicht genauer analysiert werden. Warum aber jener Guido Westerwelle, der die von Joschka Fischer ausgesetze Ehrung ehemaliger NSDAP-Parteimitglieder klammheimlich aufgeweicht hat, nun den Chef-Betroffenen gibt, das ist sehr schwer nachvollziehbar. Auch die Tatsache, dass Außenminister Westerwelle kein Problem mit der - positiv formuliert - passiven Rolle seiner Amtsvorgänger Scheel, Genscher und Kinkel zu diesem Thema hat, relativiert seinen medienwirksamen Betroffenheits-Gesichtsausdruck. Zwei der drei Männer (Scheel und Genscher) waren nämlich selbst Mitglied der NSDAP, das FDP-Parteibuch bekamen sie erst später in die Hand. Der "beschämte" Guido Westerwelle kommentiert das, man hat es schon geahnt, auf seine ganz eigene Art und lässt uns wissen, er schaue "mit Respekt und Bewunderung auf die Ergebnisse ihrer mutigen und vorausschauenden Politik."

Ja vielleicht tut er das, aber das ist ja hier nicht das Thema. Eigentlich sollte sich der betroffene Außenminister ja zu der Rolle seiner Parteifreunde bei der Aufarbeitung der Nazi-Vergangenheit des Auswärtigen Amtes äußern und nicht mit irgendwelchen allgemeingültigen Standard-Floskeln die Berliner Luft heiß reden. Echte Aufklärung sieht anders aus, aber die hat von Mr. 18% ja auch niemand erwartet.


Montag, 1. November 2010

Integration & Multikulti

"Wir als Union treten für die deutsche Leitkultur und gegen Multikulti ein. Multikulti ist tot"

- Horst Seehofer, 61, Ministerpräsident Bayern




Wer sich der Integration verweigert, der soll bestraft werden, schlägt der doch nicht abgewählte Noch-Ministerpräsident des besten Bundeslandes der Welt in seinem 7-Punkte-Plan zur Rettung der Nation vor. Die Strafe wird hart und soll „vom Bußgeld bis zur Leistungskürzung“ reichen. Doch damit nicht genug, auch über den schlechten Einfluss von Ausländern auf Ausländer hat sich der bayerische Integrations-Experte seine Gedanken gemacht und droht mit noch mehr christlicher Strenge. Auch „wer die Integration seiner Familienangehörigen behindert“, der soll „wie bei eigener Integrationsverweigerung sanktioniert“ werden. Das ist eine große Idee. Wer also seiner großen Schwester das Vokabelheft, dem Bruder die neue Bravo oder dem Papa seinen Hertha-Schal klaut, der kann jetzt ganz legal für "Integrationsbehinderung" belangt worden, nach dem CSU-Lieblingswort "Intergrationsverweigerung" ein anderer Ausdruck, der die Sprache Goethes sicher bereichern wird.

Die bayerischen Mundart-Akrobatiker und vehementen Grammatik-Verweigerer legen ja bekanntlich großen Wert auf das Themengebiet Sprache, Spracherwerb, Sprachdefizite und Sprachtest. Vollkommen egal, dass in der CSU selbst kaum einer vernünftig deutsch spricht und ein Sprachtest für Bayern im norddeutschen Ausland ein sinnvoller Beitrag zur gesamtdeutschen Integration sein könnte. Wer den bösen Ausländer eben mit sachlichen Argumenten schon nicht mit einem One-Way-Ticket zurück nach Ankara schicken kann, der versucht es eben mit billigen Taschenspielertricks. Um das ganze dann wirklich zum Erfolg zu führen, ist den CSU-Tüftlern eine Idee gekommen, die nicht nur gut, nicht mal sehr gut, sondern einfach nur noch genial ist. Für die ausreichenden Sprachkenntnisse „ist der Nachweis der deutschen Sprache bereits im Herkunftsland zu erbringen.“ Das ist perfekt durchdacht, das ist großartig, das ist die Idee von echten Poilit-Profis. Wer nicht deutsch spricht, der darf gar nicht erst kommen, schon gar nicht nach Deutschland.

Die praktische Erfahrung von realitätsfremden Sozialromantikern, Grünwählern, Sprachwissenschaftlern und Sprachlernenden - dass sich eine Sprache am besten in dem Land erlernt, wo sie eben gesprochen wird - lässt die CSU nicht gelten. Sie kann es sich ja auch leisten, denn wohl dem, der seine Stammwählerschaft zum großen Teil aus monolingualen, bildungsfernen und semiretardierten Schichten rekrutiert - Leuten also, die sich schon aus eigener Lebenserfahrung noch nie Gedanken über den Erwerb einer Fremdsprache gemacht haben.

In einem anderen großen Verein sieht man das Thema ganz anders. Nein, nicht in der CDU, sondern beim BVB in Dortmund. Der Trainer des momentanen Bundesliga-Spitzenreiters hat sich eher nebensächlich mit dem Thema beschäftigt und, im Gegensatz zu Seehofer auch etwas kluges gesagt. Der Mann hat es allerdings auch leichter, er weiß ja wovon er spricht, kennt sich aus mit "anderen Kulturkreisen", denkt bei dem Wort Multikulti nicht nur an Monokulti-Bierzelt-Reden vor tausenden von Gamsbartträgern und steht in der Tabelle auf dem ersten Platz. Ein echter Siegertyp eben, das strahlende Gegenstück zum Noch-Ministerpräsidenten aus Bayern.


"Das Integrationsthema, wie es in Teilen der Gesellschaft diskutiert wird, ist für uns keines.... In einer guten Ehe lässt man den anderen ja auch so, wie er ist."

- Jürgen Klopp, 43, Trainer Borussia Dortmund